Wie kann KI für Innovationen in der Pflege genutzt werden? Dieser Frage ging der #AI4Care Datathon am 31.07.2020 als Teil des vom BMBF- geförderten „Sondierungsprojekts KI in der Pflege“ nach. Etwa 60 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Pflege, Design und Informatik kamen dabei im virtuellen Raum zusammen und erarbeiteten innovative Konzepte auf Basis der zur Verfügung gestellten Daten.
Das vom BMBF geförderte „Sondierungsprojekt KI in der Pflege“ (SoKIP) verfolgt das Ziel, Voraussetzungen für eine erfolgreiche Forschung an der Schnittstelle von Pflege und künstlicher Intelligenz und deren mögliche Anwendungsfelder zu identifizieren. Im Fokus stehen dabei solche Bereiche, die für die jeweiligen Bedürfnisse aller Beteiligten in der Pflege am relevantesten sind. Um zu gewährleisten, dass die Meinungen und Bedarfe von Pflegenden und Pflegebedürftigen gleichermaßen in die Forschung einfließen, ist die Ausrichtung von SoKIP partizipativ und interdisziplinär. SoKIP wird koordiniert von Frau Prof. Dr. Wolf-Ostermann von der Universität Bremen. Zu den weiteren Projektpartnern gehören die Freie Universität Berlin und der Verband für Digitalisierung in der Sozialwirtschaft e.V. (Vediso). Die Erkenntnisse aus dem Sondierungsprojekt sollen perspektivisch in die Schwerpunktsetzung neuer Fördermaßnahmen einfließen.
Der #AI4Care Datathon wurde im Rahmen von SoKIP durchgeführt und sollte Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen zusammenbringen, um möglichst konkret an potenziellen Anwendungsszenarien zu arbeiten. Ziel der Veranstaltung sei es, das Potenzial von KI in der Pflege aufzuzeigen und dabei gleichzeitig herauszuarbeiten, an welchen Stellen noch Forschungsbedarf bestehe, erklärte Katrin Nostadt aus dem BMBF-Referat 616 „Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität“ in ihrer Eröffnungsrede.
Unter den Teilnehmenden befanden sich kreative Köpfe aus den Bereichen Informatik, Design und Pflege, die sich größtenteils vom heimischen Rechner aus eingewählt hatten. Weil sich die Veranstaltung auch an internationale Teilnehmende richtete, fand diese in englischer Sprache statt. Wie für das Format üblich, war auch dieser Datathon als Wettbewerb angelegt: Auf das Team mit dem besten Konzept wartete ein erweitertes Unterstützungsangebot durch die Veranstalter der Datathons, der Nextcoder Softwareentwicklungs UG, sowie die Teilnahme am Vision Health Pioneer Incubator-Programm, bei dem das Gewinnerteam zusätzlich Aussicht auf ein Stipendium erhält. Bewertet wurden die Beiträge von einer Jury, bestehend aus Judith Ripken von der Techniker Krankenkasse, Dr. rer. biol. hum. Regina Schmeer-Oetjen von der Medizinischen Hochschule Hannover, Dr. Markus Wenzel vom Fraunhofer MEVIS, Lars Roemfeld vom Health Innovation Hub (hih) des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), Prof. Dr. Dr. Thomas Schildhauer vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) und Katrin Nostadt aus dem Referat 616 des BMBF.
Bei einem Datathon entwickeln kleine Gruppen ähnlich wie bei einem klassischen Hackathon innerhalb eines kleinen Zeitfensters Lösungen zu vorab definierten Problemen. Die Besonderheit bei einem Datathon liegt darin, dass zur Problemlösung Daten verwendet werden, die dabei helfen sollen, die Ergebnisse besonders bedarfsgerecht zu gestalten.
„Eine große Herausforderung für die Anwendung von KI in der Pflege ist die Verfügbarkeit von verwertbaren Daten“, erklärte Prof. Dr. Felix Biessmann von der Beuth Hochschule zu Anfang, „denn für Machine Learning in der KI sind diese von zentralem Wert“. Allerdings sei es für gewöhnlich sehr schwer, gute und vor allem vollständige Datensätze zu beschaffen. Hinzu käme, dass sich die Erhebung und Verarbeitung von Patientendaten besonders schwierig gestalte, weil hier stärker als in anderen Bereichen darauf geachtet werden müsse, dass diese in Einverständnis mit den Patienten und Patientinnen erhoben werden. Eine zusätzliche Hürde bestünde in unvollständigen Datensätzen. Zwar könnten diese in der Theorie von synthetischen, also künstlich erzeugten Daten ersetzt werden um ein Machine Learning Verfahren anzuwenden, jedoch sei hierbei immer mit einem ungenaueren Ergebnis zu rechnen als bei der Verwendung „echter“ Daten. Beim Datathon mussten sich die Teilnehmenden jedoch keine Sorgen um die Qualität der Daten machen. Die Daten wurden von den vier Datenpartnern zur Verfügung gestellt (InSitu, Klinik für Geriatrie und Altersmedizin, mit pflege leben, ASSISTME) und waren sowohl vollständig als auch datenschutzkonform.
Doch wie können Daten für praxistaugliche Lösungen in der Pflege eingesetzt werden? Dieser Frage stellten sich insgesamt fünf interdisziplinäre Teams, die nach einer kurzen Vorstellungsrunde zügig mit der Arbeit begannen. Die Gruppen hatten vor der Veranstaltung eine Projektidee formuliert oder legten ein bestehendes Konzept aus ihrer aktuellen Forschung zugrunde, welches während des Datathons weiterentwickelt werden sollte. Innerhalb weniger Stunden, analysierten die Teams die verfügbaren Datensätze und leiteten aus der intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit wertvolle Erkenntnisse zur Weiterentwicklung ihrer Ideen ab. Am Nachmittag kamen alle zu einer gemeinsamen Ergebnispräsentation zusammen. Im Folgenden werden die Ergebnisse in Kürze beschrieben:
Den ersten Platz belegte das fünfte Team, welches von Philipp Schliesser und Yannic Niedenzu von der Freien Universität Berlin vertreten wurde. Das Team hatte sich mit der Digitalisierung von Sturzberichten in Pflegeeinrichtungen beschäftigt. In einer vorausgegangenen Analyse hatten die Forschenden herausgefunden, dass Sturzberichte oftmals nur handschriftlich und auf Papier verfasst werden. Dies führe dazu, dass die Informationen aufgrund von Unleserlichkeit oder Unvollständigkeit nicht von allen Pflegenden zur Kenntnis genommen würden. Dadurch könnten oftmals keine Maßnahmen ergriffen werden, um erneute Stürze zu verhindern. Das Team entwickelte daher einen Entwurf für eine mobile App, mit der Sturzberichte intuitiv und digital verfasst werden können – etwa durch Spracheingabe oder Auto-Vervollständigungsfunktionen. Das Team erhofft sich, durch die vereinfachten Eingabemöglichkeiten, eine lückenlose Dokumentation von Stürzen zu erreichen und langfristig die Sturzprophylaxe in Pflegeeinrichtungen zu verbessern. Für das kommende Jahr ist geplant, mit der Datenerfassung zu starten um dann perspektivisch Ende 2021 mit Maßnahmen zum maschinellen Lernen beginnen zu können.
Die Teilnehmenden waren sich einig, dass der Datathon als Sprungbrett für weitere Zusammenarbeiten verstanden werden müsse. Die Veranstaltung habe gezeigt, dass KI einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Pflege leisten könne, sagte Prof. Dr. Daniel Fürstenau. Die Arbeit in den Teams solle aber mit den Erkenntnissen des Datathons fortgeführt werden. Auch Katrin Nostadt vom BMBF ermutigte die Teilnehmenden ihre Ideen in interdisziplinären Teams weiterzuentwickeln und eine Teilnahme bei einer der kommenden Förderaufrufe in Erwägung zu ziehen.