Das Cluster Zukunft der Pflege war am 4. und 5. Oktober 2022 zu Gast auf dem Deutschen Pflegetag. Am Messestand konnten Besucherinnen und Besucher aktuelle Produkte des Clusters aus der Forschung zu interaktiven Technologien begutachten und testen. Begleitend hatte das Custer zu einem halbstündigen Vortrag auf der HotSpot-Bühne sowie zu einer Session im Rahmen des Hauptprogramms eingeladen.
Technische Innovationen können Pflegefachpersonal und informell Pflegende bei ihrer Arbeit entlasten und die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten sowie Pflegebedürftigen verbessern. Im Cluster Zukunft der Pflege des Bundesministeriums für Bildung und Forschung werden solche Technologien für die Pflege erforscht. Unter dem Titel „Technologische Vielfalt in der Pflege“ boten Sebastian Weiß vom Pflegeinnovationszentrum (PIZ), Dr. Nils Lahmann vom Pflegepraxiszentrum (PPZ) Berlin, Sandra Witek vom PPZ Freiburg, Dorina Sieker vom PPZ Hannover und Tanja Dittrich vom PPZ Nürnberg auf der HotSpot-Bühne Einblicke in aktuelle Aktivitäten im Cluster Zukunft der Pflege:
Pflegeinnovationszentrum Oldenburg
Im PIZ wurden vier Reallabore eingerichtet, in denen Produkte und Forschungsprototypen ausgestellt, ausprobiert und diskutiert werden. Mithilfe einer Virtual Reality Erweiterung können diese Labore auch virtuell besucht werden und beispielsweise dabei unterstützen, den Umgang mit Technologien einzuüben oder auch besondere Praxissituationen nachzustellen.
PPZ Berlin
Das PPZ Berlin arbeitet an Technologien, die ein kontinuierliches Monitoring mittels diverser Sensoriken erlauben, beispielsweise zur Erkennung von Patientenbewegungen, der Lagerung im Bett oder dem Blasenfüllzustand. Solche Technologien unterstützen die Patientenbeobachtung und ermöglicht eine zielgerichtete, zeitnahe und bedarfsgerechte pflegerische Intervention. Das PPZ Berlin prüft derartige Integrationsmöglichkeiten in verschiedenen klinischen und pflegerischen Settings.
PPZ Freiburg
Die Technik SoundEar 3 ist ein visuelles Hilfsmittel zur Darstellung des Geräuschpegels und zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden. Das Potenzial sowie die Barrieren der „Lärmampeln“ werden im Rahmen der bisherigen Erfahrungen auf Intensivstationen in der Gebrauchstauglichkeitstestung und dem Forschungsprojekt Silent ICU im PPZ Freiburg aufgezeigt.
PPZ Hannover
Im PPZ Hannover werden Technologien für die unfallchirurgische Pflegeversorgung vor dem Hintergrund der Frage erforscht, ob sie die Arbeit von Pflegefachpersonen entlasten und die Versorgung von Patientinnen und Patienten verbessern. Getestet werden etwa ein Therapieball zur Förderung demenziell Erkrankter, ein Trackingsystem zum Auffinden technischer Geräte oder ein Scanner zur Risikobewertung druckbedingter Verletzungen. Mit einem Projektpartner aus der Industrie wird das Pflegebett Movacura entwickelt, das mittels intelligenter und adaptiver Technologie eine automatisierte Entlastung druckbelasteter Körperregionen ermöglicht.
PPZ Nürnberg
Das PPZ Nürnberg erforscht unter anderem Spielanwendungen, die sowohl in der stationären Langzeitpflege als auch in der Akutpflege zum Einsatz kommen. Zum Deutschen Pflegetag wurden Produkte zur Aktivierung Pflegebedürftiger als auch Anwendungen zur Minimierung von Unruhezuständen im pflegerischen Alltag vorgestellt.
Innovative Hilfsmittel in der Pflege. Kommen sie an?
In der Session „Innovative Hilfsmittel in der Pflege“ wurden unter der Leitung von Tobias Kley, Verbundkoordinator des PPZ Berlin, Erkenntnisse aus dem Cluster Zukunft der Pflege mit Beteiligten des Clusters und Frank Rudolf vom AOK-Bundesverband diskutiert. Dazu gehörten folgende Thesen und Erkenntnisse:
Tobias Kley, Verbundkoordinator des PPZ Berlin
„Die am Bedarf „vorbei entwickelte“ Technologie kommt leider noch häufig vor - wenngleich partizipative Ansätze in Forschung und Entwicklung von Pflegetechnologien deutlich zunehmen. Scheitern gehört zum Lernprozess dazu. Es heißt nicht die Abkehr von der Forschung. Im Gegenteil: Es heißt dranbleiben. Denn „one-size-fits-all“ gibt es in Bezug auf Technologie und Pflege nicht. Um eine erfolgreiche Implementierung zu erreichen, gilt es, zunächst vorhandene Produkte in der Pflegepraxis auszuprobieren und systematisch anzuwenden und diese im Hinblick auf konkrete Bedürfnisse von Pflegebedürftigen und Pflegepersonal weiterzuentwickeln. Wenn die Technologie in die Anwendung kommt, muss sie bereits im Testsetting überzeugt haben. Denn: Die Bereitschaft von Pflegenden für neue Versorgungsoptionen ist groß. Sie nimmt jedoch drastisch ab, wenn die Technik nicht funktioniert.“
Tobias Krick, wissenschaftlicher Mitarbeiter im PIZ
„Digitale Pflegetechnologien haben das Potenzial, positive Veränderungen in der Pflege zu bewirken. Doch aus vielfältigen Gründen gibt es zu den meisten Technologien noch keinen Nutzennachweis auf hohem Evidenzniveau. Viele Pflegetechnologien befinden sich zudem noch in frühen Phasen der Technologieentwicklung und müssen in den nächsten Jahren noch stärker an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer und weiteren Beteiligten angepasst werden. Dazu muss es begleitenden Forschung und einen intensiven Austausch zwischen der Pflegepraxis, den Herstellern und der Wissenschaft geben. Im Cluster Zukunft der Pflege leisten wir dazu einen wichtigen Beitrag."
Indira Schmude-Basic, Konsortialführerin des PPZ-Nürnberg
„Viele der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel kommen derzeit nur punktuell in der Pflegepraxis an. Neben produktspezifischen Aspekten wie Usability oder User Experience spielen dabei Möglichkeiten der Refinanzierung oder die mangelnde Interoperabilität eine Rolle. Weiterhin müssen Datensicherheit, ethische und haftungsrechtliche Fragestellungen beachtet und vor Einführung der technologischen Anwendung ausreichend beantwortet werden. Im PPZ Nürnberg werden neben Risikobewertung auch unternehmensinterne Pflegeprozesse und sonstige Gegebenheiten analysiert. Um eine bestmögliche Transparenz und Vorbereitung zu gewährleisten, finden in Zusammenarbeit mit den Herstellern Informationsveranstaltungen und Workshops für Pflegepersonal, Bewohnerinnen und Bewohner statt. Hierbei können Ängste, Sorgen oder Stolpersteine identifiziert und Qualifizierungsdefizite ermittelt werden. Ziel ist es, neben einer zu vermittelnden Technik- und Innovationskompetenz einen Veränderungsprozess in der Pflege anzustoßen, damit Innovationen auch als Chance für die eigene pflegerische Arbeit begriffen werden können.“
Fabian Montigel, Pflegefachliche Leitung auf der neurochirurgischen Intensivstation am Universitätsklinikum Freiburg
„In der Intensivpflege wenden wir viele technische Hilfsmitteln an. Ein Indikator für eine gute Intensivpflegende ist, wenn sie trotz der Apparatemedizin noch das Individuum dahinter, also den Patienten oder die Patientin wahrnimmt und deren Bedürfnisse berücksichtigt und Möglichkeiten findet, darauf einzugehen. Eine gute technologische Errungenschaft kann intuitiv angewendet werden und funktioniert, wenn man sie braucht. Sie schafft eine Qualitätssteigerung, sei es durch die Anwendung in der Planung, der Pflegediagnostik, der Überwachung oder der Kommunikation und Dokumentation. Pflege ist vielfältig, so kann es sein, dass eine Anwendung in einem Bereich unglaublich hilfreich und innovativ ist, aber in einem anderen Setting schlicht keinen Mehrwert mit sich bringt. Häufig muss daher im Vorfeld geklärt sein, ob eine Anwendung im jeweiligen Fachbereich sinnvoll erscheint. Manchmal können gewisse Anpassungen eines Hilfsmittels an den Einsatzort, den entscheidenden Unterschied – bezogen auf den praktischen Nutzen – machen. Auch jedes Individuum reagiert unterschiedlich auf gewisse Stimuli und Reize. Hier sehe ich einen großen Auftrag der Pflegenden die Einführung innovativer Technologien zu reflektieren und Hilfsmittel für die direkte Patientenanwendung professionell zu begleiten.“
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