Das Cluster „Zukunft der Pflege“ veranstaltete im September 2023 seine Jahreskonferenz in Oldenburg. Rund 340 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Pflegepraxis und Industrie diskutierten über die Zukunft der Pflege und lernten innovative Technologien für eine bessere Pflege kennen.
Bereits zum sechsten Mal veranstaltete das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Cluster „Zukunft der Pflege“ im September 2023 seine Jahreskonferenz. In diesem Jahr fand sie auf Einladung des am Cluster beteiligten Pflegeinnovationszentrums (PIZ) in Oldenburg statt. Hier diskutierten rund 340 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Pflegepraxis und Industrie über die Zukunft der Pflege und lernten innovative Technologien für eine bessere Pflege kennen – darunter etwa 150 Auszubildende und Studierende, die an einem speziell auf ihre Interessen ausgerichteten Forum teilnahmen.
Die sechste Clusterkonferenz stand unter dem Motto „Mit Pflegeinnovationen die Zukunft gestalten – menschlich, professionell, digital“. Daher lagen die inhaltlichen Schwerpunkte der Veranstaltung auf Themen wie „technische Innovationen für die Menschlichkeit in der Pflege“, „Kompetenzerwerb für die professionelle Pflege“ und „digitale Technologien für die Pflege“.
An drei Konferenztagen befassten sich 45 wissenschaftliche Beiträge mit den neuesten Erkenntnissen und Entwicklungen in der Digitalisierung der Pflege. In sieben Workshops konnten sich die Teilnehmenden über die Themen Robotik, Virtual und Augmented Reality, Künstliche Intelligenz, Digitalisierung in der Pflegeausbildung sowie Technologieeinsatz in und Technologieentwicklung für die Pflegepraxis informieren und austauschen.
Das PIZ gewährte im Rahmen von Laborführungen Einblicke in seine Arbeit. In den Laboren testet das Team rund um die General Chairs Prof. Dr. Susanne Boll und Prof. Dr.-Ing. Andreas Hein technische Innovationen wie z. B. Robotersysteme auf ihre Praxistauglichkeit.
Kevin Barz, Künstlerischer Leiter des Technical Ballroom am Oldenburgischen Staatstheater, zeigte am ersten Konferenzabend Videoauszüge aus „Requiem.exe“ – einer beeindruckenden Inszenierung über die Rolle von Robotersystemen in der Pflege.
In einer begleitenden Ausstellung präsentierten die am Cluster beteiligten Pflegepraxiszentren, welche Technologien sie zurzeit im Praxisalltag testen. Neben Exoskeletten und Caretables sind dies zum Beispiel auch Klangkissen und hölzerne Klangkörper, die sich durch Berührung aktivieren und daher auch in Gruppen steuern lassen.
Hersteller technologischer Produkte mit Pflegebezug konnten sich im Vorfeld der Clusterkonferenz für den Innovationswettbewerb bewerben. Ziel des Wettbewerbs ist die Förderung innovativer Lösungen und Ideen für die Pflegebranche. Ausgewählte Unternehmen stellten ihre Innovationen während der Konferenz in einer eigenen Ausstellung aus und präsentierten sie am zweiten Tag in Form eines „Pitchs“. Das Publikum kürte die Help Tech GmbH mit ihrem passiven Exoskelett „BionicBack“ zum diesjährigen Gewinner.
In inspirierenden Keynotes beleuchteten drei Pflegewissenschaftler die Digitalisierung in der Pflege aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Prof. Dr. Patrick Jahn von der Universitätsmedizin Halle (Saale) referierte über die Rolle der Pflegefachperson im Innovationsökosystem. Er ist der Auffassung, dass digitalassistive Technologien die Arbeit der Pflegenden deutlich entlasten könnten. Voraussetzung sei, Pflegenden einen Zugang zu den Technologien zu ermöglichen und ihnen den Umgang zu erklären.
Über die Entwicklung digitaler Kompetenzen in der Pflegeausbildung referierte Prof. Dr. Tobias Hölterhof von der katho – Katholische Hochschule NRW. An sein Fazit, dass Pflegeschulen Orte der Antizipation einer digitalen Transformation der Pflege seien, schloss sich eine Podiumsdiskussion an. Darin gab Björn Naumann von der Charité in Berlin zu bedenken, dass allzu oft Technik entwickelt werde, die die Pflege gar nicht brauche. Und dass KI zwar Daten sammele, aber dann oft das Wissen fehle, was mit den Daten zu tun sei.
Auch Kristina Loeffler vom Pflegeausbildungszentrum St. Johannes Hospital in Varel ist der Meinung, dass die Digitalisierung der Pflege noch am Anfang stehe. Sie gab Prof. Hölterhof Recht, dass digitalaffine Auszubildende als Multiplikatoren für die Digitalisierung der Pflege wirken könnten. Die „Social Media Nurse“ Ricarda Möller vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfk) Nordwest in Hannover plädierte für eine bewusste und strategische Positionierung von Pflegenden, um deren pflegepolitische Rolle langfristig zu stärken. Dr. Simone Kuntz von der Charité in Berlin schloss die Runde mit ihrem Statement, dass Technik den Menschen nie ersetzen, sondern nur dessen Lebens- und Arbeitsbedingungen verändern könne.
Diese Einschätzung teilt auch Prof. Dr. Sami Haddadin von der Technischen Universität München. In seiner Closing-Keynote zum Thema Geriatronik betonte er am dritten Konferenztag, dass der Einsatz von taktilen Robotern und künstlicher Intelligenz in der Pflege keinesfalls als Ersatz, sondern lediglich als Assistenz zu verstehen sei. Hochentwickelter Tastsinn und motorische Intelligenz seien jedoch unabdingbare Voraussetzungen für Roboterassistenz in der Pflege.
Am Cluster „Zukunft der Pflege“ beteiligen sich das Pflegeinnovationszentrum in Oldenburg und vier Pflegepraxiszentren in Berlin, Freiburg, Hannover und Nürnberg. Damit technische Innovationen im Pflegebereich nicht am Bedarf vorbei entwickelt werden, testen die Zentren alle Technologien in der Pflegepraxis – also mit Pflegenden und Pflegebedürftigen im pflegerischen Setting – auf ihre Praxistauglichkeit. Denn die Innovationen sollen informell und beruflich Pflegende bei ihrer Arbeit tatsächlich entlasten und gleichzeitig die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten sowie Pflegebedürftigen verbessern.