Wie „pflege-ready“ ist KI?

Neun Projektverbünde der Bekanntmachung „Repositorien und KI-Systeme im Pflegealltag nutzbar machen“ (KIP) trafen sich Ende September 2023 zum ersten Netzwerktreffen in Berlin. Sie diskutierten wesentliche Fragen zur Nutzbarmachung von KI in formellen Pflegeprozessen.

Das erste Netzwerktreffen zur Bekanntmachung „Repositorien und KI-Systeme im Pflegealltag nutzbar machen“ (KIP) fand am 26. und 27. September 2023 in der Urania in Berlin statt. Am ersten Tag trafen sich etwa 40 Vertreterinnen und Vertreter der neun Projektverbünde zu einem internen Treffen, um wesentliche Fragen zur Nutzbarmachung von KI in formellen Pflegeprozessen zu diskutieren. Die Teilnehmenden tauschten sich in zwölf Sessions zu unterschiedlichsten Fragestellungen aus, die für ihre Projektarbeit von Bedeutung sind.

Rückblick auf den ersten Veranstaltungstag.© Dominik Domhoff / Universität Bremen

Bedürfnisse, Voraussetzungen und Potenziale von KI in der Pflege

Der zweite Tag war als öffentlicher Fachtag konzipiert und diente den etwa 80 Teilnehmenden daher auch der öffentlichen Debatte über die Machbarkeit des Einsatzes von KI-Systemen im Pflegebereich. In seinem Impulsvortrag referierte Prof. Dr. Björn Sellemann von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen über die Bedürfnisse, Voraussetzungen und Potenziale von KI in der Pflege unter der besonderen Berücksichtigung der Datenverfügbarkeit. Er betonte die Bedeutung einer strukturierten Datenerhebung und Datenqualität für den Aufbau von KI-Werkzeugen. Laut Prof. Sellemann ist die Anwendung von KI in der Pflege ein recht neues Unterfangen. Die Vereinheitlichung von Dokumentationssystemen und Terminologien stehe noch aus. Die anschließenden Projektpräsentationen gaben den Teilnehmenden einen guten Einblick in die laufende Forschung in den KIP-Projekten.

Teilnehmer des KIP-Netzwerktreffens 2023.© Dominik Domhoff / Universität Bremen

Workshops

Im Anschluss hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, einige Diskussionsthemen in Workshops zu vertiefen, die den Einsatz von KI in der Pflege aus verschiedenen Perspektiven beleuchteten: Die Teilnehmenden entwickelten in einem Zukunftsspiel Szenarien für die Pflege der Zukunft, erarbeiteten unterstützende Maßnahmen für die Digitalisierung in der Sozialwirtschaft, diskutierten die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in Forschungs- und Innovationsprozesse und erläuterten Fragen des ethisch verantwortlichen Einsatzes von KI in der Pflege.

Interaktiver Workshop. © Dominik Domhoff / Universität Bremen

Podiumsdiskussion „Wie ‚pflege-ready‘ ist KI?“

Die Podiumsdiskussion, die den zweiten Tag abschloss, griff die Frage nach der KI-Reife des Pflegesystems auf: Anne Gebert vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung (dip) wies darauf hin, dass nicht das Pflegesystem und die Pflegenden auf die KI-Technologie vorbereitet werden sollten, sondern die Technologie vielmehr für das Pflegesystem und mit Blick auf die Menschen entwickelt werden sollte. KI-Readiness in der Pflege sei ein dauerhafter, transformativer Prozess, der ein gemeinsames Verständnis von Möglichkeiten und Anforderungen erfordere und von Entwicklerinnen und Entwicklern von KI, Pflegefachpersonen und Institutionen gleichermaßen vorangetrieben werden müsse.

Podiumsdiskussion zur Pflege-Readiness.© Dominik Domhoff / Universität Bremen

Dr. Galia Assadi von der Evangelischen Hochschule Nürnberg gab zu bedenken, dass (wie beim autonomen Fahren) die Haftungsfrage beim Einsatz von KI in der Pflege geklärt werden müsse. Ihr zufolge bedürfe es zudem Konzepte zur Herstellung digitaler Mündigkeit. Prof. Dr. Björn Sellemann von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen stellte die Frage, wie Pflegende „digital abgeholt“ werden könnten. Ein großes Problem sieht er in den Kompetenz- und Qualifikationsunterschieden zwischen den Pflegefachpersonen. Viele Pflegende müssten KI-Kompetenzen erst lernen.

Anne Gebert vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung (dip).© Dominik Domhoff / Universität Bremen

Der Erfahrung von Björn Gorniak von der Connext Communication GmbH nach, gibt es eine große Bereitschaft der Pflegefachpersonen, bei der Digitalisierung mitzumachen. Junge Pflegende seien zwar „KI-offener“, ältere Pflegende wüssten dank ihrer Erfahrung jedoch viel besser, wo Handlungsbedarf bestehe. Er wies zudem darauf hin, dass den Einrichtungen der Datenschatz, den sie durch ihre Pflegedokumentation ansammeln, oft nicht bewusst sei. Zur Beteiligung an und Nutzung von KI in der Pflege motivieren könne man Dioselina Windrath von der Diakonie Michaelshoven zufolge mit dem Mehrwert, dass man dadurch die Zukunft der Pflege mitgestalte. Bernadette Hosters, Universitätsmedizin Essen, schloss die Diskussion mit dem Fazit, dass ein immenser Bedarf an entsprechenden Bildungsangeboten wie z. B. dem Studiengang „Pflege und Digitalisierung“ bestehe.

Rückfrage an die Diskutierenden auf dem Podium. © Lea Bergmann / vediso

WEITERE INFORMATIONEN

Projektwebsite ProKIP