Robotikforschung in Deutschland: Wie sehen Sie das?

Wie nehmen Bürgerinnen und Bürger aktuelle Technikentwicklungen im Bereich Robotik wahr? Beim BMBF Vernetzungstreffen der Fördervorhaben im Forschungsschwerpunkt „Roboter für Assistenzfunktionen“ Ende 2019 fragten wir Corinna Bernhardt und Nico Krüger, die als Gäste an der Veranstaltung teilnahmen.

Durch ihre Alltagsbrille bewerteten sie aktuelle Robotikforschung und gaben den Expertinnen und -experten aus den Förderprojekten im Austausch vor Ort wertvolle Hinweise zur tatsächlichen Alltagstauglichkeit neuester Technik.

Corinna Bernhardt und Nico Krüger: Zu Gast beim Vernetzungstreffen der Forschenden im Forschungsschwerpunkt „Roboter für Assistenzfunktionen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung© VDI/VDE-IT/Hansen-Schweitzer

Frau Bernhardt, wo steht die Robotikforschung in Deutschland heute?

Nach der Veranstaltung weiß ich: es steht gut um die Forschung auf diesem Feld. Es ist schön zu wissen, dass sich auch in Deutschland etwas tut. Doch es gibt Länder, wo die Robotik längst angekommen ist.

Herr Krüger, was ist Ihr Fazit?

Mein Fazit ist, dass die Robotikforschung in Deutschland in den letzten Jahren bereits erste wichtige Projekte starten konnte, diese jedoch insgesamt sehr aufwändig und zeitintensiv sind. Überraschend hierbei ist, dass für den Menschen einfachste Bewegungsmuster einen Roboter vor große Herausforderungen stellen. Die von den verschiedenen Robotern bereits erlernten menschlichen Bewegungen, sowie auch die störanfälligen Interaktionen zwischen Mensch und Roboter befinden sich derzeitig noch im Anfangsstadium.        

Frau Bernhardt, was sind für die Forschenden die zentralen Fragen, die es noch zu lösen gilt?

Für die Forschenden bleibt zu klären, wie soll und kann Robotikeinsatz finanziert werden? Oder stoßen wir beim Einsatz auf Hemmnisse zum Beispiel Aktivisten, die gegen Technikeinsatz und Digitalisierung sind? Auch die Frage der Einsatzbereiche für Roboter stellt sich, z. B. nicht nur staatlich geförderte Einrichtungen sollen an Technik etwa in der Pflege teilhaben, sondern bitte auch ältere alleinlebende Mitbürger.

Herr Krüger, welche Fragen und Herausforderungen der Wissenschaftler sind Ihnen im Gedächtnis geblieben?

Mir sind neben den ganzen technischen Herausforderungen besonders die zahlreichen Hindernisse in puncto Datenschutz und die grundlegenden rechtlichen Fragen in Erinnerung geblieben. Eine weitere zu klärende Thematik für die Mensch-Roboter-Interaktion ist, wie alle künftigen Interaktionspartner frühzeitig in den Entwicklungs- und Integrationsprozess miteinbezogen werden können. Es besteht dadurch nicht nur die Möglichkeit frühzeitig Denkanstöße zu erhalten, sondern es findet automatisch auch zeitgleich eine Gewöhnung an die neuen technischen Interaktionspartner statt.

Frau Bernhardt, was halten Sie von Bürgerbeteiligung in der Forschung und bei der Entwicklung von Robotern?

Eine Bürgerbeteiligung halte ich für hilfreich, also die Menschen zu fragen, die etwa in der Pflege direkt betroffen sind. Denn sie erleben tagtäglich mit, was, wo und wie die Abläufe sind, wo Hilfe benötigt wird. Sie sind quasi mitten im Leben und können direkt Kritik oder Lob für Anwendungen aussprechen. Das ist aus eigener Erfahrung ganz wichtig in der Palliativstation oder im Hospiz, wo die Pflegekräfte besonders gefordert sind.

Herr Krüger, was hatten Sie von der Veranstaltung erwartet bzw. was hat Sie überrascht?

Am meisten überrascht haben mich die verschiedenen Herangehensweisen der Forscher, sowie die aktuell noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten und Potenziale in den Bereichen Haushalt, Dienstleistung und Gesundheit. Die Themen waren so gut aufbereitet und leicht zugänglich, dass ich einige neue und interessante Kenntnisse erlangen konnte.      

Es gibt unter Vielen - auch unter Wissenschaftlern und Technikentwicklern - Bedenken und Antigruppierungen hinsichtlich der Entwicklungen im Bereich Robotik und Künstliche Intelligenz? Frau Bernhardt, teilen Sie diese Vorbehalte?

Nein, ich bin pro Robotik. Sie hilft. Sei es in der Industrie, wo ein Roboter die schweren Arbeiten ausführen kann und der Mensch dadurch entlastet wird oder mein Smartphone, das meinen Puls misst. Die Fernbedienung für den Fernseher ist für mich im Grunde der Vorreiter – quasi ein stiller Roboter. Wie der Ein- und Ausschalter eines Smarthome-Systems.

Herr Krüger, wie ist Ihre Haltung gegenüber Robotern?

Natürlich ist es teilweise befremdlich, welche Auswirkungen die Digitalisierung allein in den letzten 10 Jahren auf unser Leben hatte. Die Technikbranche präsentiert permanent die neuesten Entwicklungen und Lösungen für jeden Lebensbereich, kämpft aber zeitgleich immer gegen den schlechten Ruf an, der mit Automatisierung, Smart Home, Überwachung und Kontrolle einhergeht. Für mich stellen künstliche Intelligenz und Robotik jedoch eher eine Art Werkzeug da, welches ich bei Bedarf unterstützend nutzen kann. Ich nutze die Selbstbestimmung darüber, wann und wie ich diese Werkzeuge verwende. Damit definiere ich mich nicht als frei zugängliche Informationsquelle für persönliche Daten.
Ich bin insgesamt überzeugt davon, dass Robotik im Bereich der häuslichen Krankenpflege ein enormes Potenzial mit sich bringt und künftig ein probates Mittel gegen den Personalmangel im Pflegesektor sein kann. Absolut erschreckend empfinde ich die aktuellen Entwicklungen in den Bereichen der Rüstungsindustrie.

Frau Bernhardt, mit welchem Gefühl gehen Sie in die digitale Zukunft?

Es gibt für mich viele positive Aspekte und ich bin ja nicht beim Terminator! Ich selbst bin in der DDR aufgewachsen und musste mich mit Überwachung auseinandersetzen. Heute macht mir dies keine Angst mehr, eher im Gegenteil: Heute nutze ich die Technik zu meinem Vorteil. Ich weiß zum Beispiel immer und überall, was in der Welt passiert. Ich kann mich in meinem Heim schützen, etwa durch Kameras, und der Saugroboter erleichtert mir nebenbei die Hausarbeit.

Herr Krüger, was ist Ihre Vision von Lieblings-Roboter der Zukunft?

Ein Roboter erweist sich für mich als sinnvoll, wenn er mir einen echten Mehrwert bietet, sprich: mich bei meinen täglichen Aufgaben des Lebens unterstützt. Er könnte mir zum Beispiel die ungeliebten Aufgaben im Haushalt abnehmen, mich beim Erlernen von neuem Wissen oder Sprachen unterstützen, bei Abwesenheit Pakete für mich annehmen, die Blumen gießen oder die Haustiere füttern und die Wohnung bewachen. Er sollte keine Entscheidungen für mich treffen, mich weder reglementieren oder maßregeln, des Weiteren steuere ich mein Motorrad liebend gern weiterhin ganz allein und ohne künstliche Intelligenz!

Frau Bernhardt, welchen Assistenten würden Sie sich wünschen?

Ich würde mir einen Haushaltsroboter wünschen für die verschiedensten und manchmal auch lästigen Tätigkeiten zu Hause, zum Beispiel Essen vorbereiten, Putzen, Einkaufen und so weiter.


Weitere Informationen:
Roboter – Schon fit für den Alltag?“ Nachbericht zum BMBF Vernetzungstreffen der Fördervorhaben im Forschungsschwerpunkt „Roboter für Assistenzfunktionen“ am 28. und 29. November in Berlin