Roboter – Schon fit für den Alltag?

Beim BMBF Vernetzungstreffen der Fördervorhaben im Forschungsschwerpunkt „Roboter für Assistenzfunktionen“ am 28. und 29. November in Berlin diskutierten 120 Expertinnen und Experten über zentrale Fragen der Mensch-Technik-Interaktion und wie ein Roboter konzipiert sein muss, damit er künftig seinen festen Platz in unserem Alltag findet.

 

© graphicrecording.cool/JohannaBenz


Der Förderschwerpunkt „Roboter für Assistenzfunktionen“ (RA) ist vom BMBF als dreiteilige Bekanntmachungsreihe angelegt. In Stufe 1 beschäftigten sich die Projekte mit interaktiven Grundfertigkeiten. Bei RA2, der zweiten Bekanntmachung der Reihe, geht es um „Interaktionsstrategien“. Eine dritte Bekanntmachung „Roboter für Assistenzfunktionen: Interaktion in der Praxis“ ist als Fortführung ab Anfang 2020 geplant.

Interdisziplinär an „guter“ Mensch-Technik-Interaktion arbeiten

Das Vernetzungstreffen warf zentrale Fragen auf, die die Expertinnen und Experten bei ihrer Forschung gemeinsam beschäftigen. Roboter sollen Unterstützer sein und den Menschen nicht ersetzen, darin sind sich die Forschenden einig. Doch was passiert, wenn Roboter erst einmal die Industriehallen verlassen? Wollen wir uns bei einem Reinigungsroboter für seine Arbeit bedanken? Sollte ein Pflegeroboter empathisch wirken? Warum hat ein Roboter Hände, wenn er damit gar nicht greifen kann? Diese Fragen werden in der Forschung der Mensch-Technik-Interaktion nicht nur von Technikexpertinnen und -experten betrachtet. Die Forschungsvorhaben im Bereich Roboter für Assistenzfunktionen fokussieren eine interdisziplinäre Forschung, die Ingenieurs-, Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften durch projektübergreifende Zusammenarbeit und Wissenstransfer unterstützt.

Das Bundesforschungsministerium stellt den Menschen in den Mittelpunkt, wie Katrin Nostadt in ihrer Eröffnungsrede zur Veranstaltung sagte: „Das Ziel des Förderschwerpunkts ist die sukzessive Entwicklung interaktionsfähiger Roboter. Dabei wollen wir den Fokus von der Technologieorientierung hin zu einer stärkeren Anwendungsbezogenheit verändern.“ Mit den drei aufeinander aufbauenden Bekanntmachungen im Bereich Assistenzrobotik wolle das Ministerium langanhaltende Trends sichten und förderpolitisch begleiten, um so den nachhaltigen Transfer von Robotern in die Anwendung zu stärken.

O-Töne aus der Teilnehmerschaft

Wir fragten Judith Dörrenbächer (Uni Siegen), Dr. Diana Löffler (Uni Siegen) und Dr. Siegfried Hochdorfer (ADLATUS Robotics GmbH) nach ihrem Vorhaben und ihrer Lösung bei den Projekten GINA und RobotKoop.

Projekt RobotKoop
© VDI/VDE-IT/Hansen-Schweitzer

Projekt GINA
© VDI/VDE-IT/Hansen-Schweitzer


Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartete ein abwechslungsreiches Veranstaltungsformat mit interessanten Perspektivwechseln, welche den Diskurs und den Austausch beflügelten. Bildreich und visionär kommentiert wurden die Diskussionen von der Illustratorin Johanna Benz.

Die gesammelten Illustrationen finden Sie hier (PDF Download)

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Keynotespeaker James Augers. Sein Ansatz: Anhand der Designforschung alternative Ansätze für den Roboter der Zukunft zu erarbeiten© VDI/VDE-IT/Hansen-Schweitzer


Ein weiterer externer Beobachter und Kommentator war James Auger, Produktdesigner und assoziierter Professor für Design unter anderen an der RMIT Europe und der PSL University, Paris. In seiner Keynote "Leben mit Robotern" konkretisierte er seine Perspektive und das Zusammenspiel von menschlicher Erfahrung und Technologie: Der Roboter ist und bleibe eines der meistgenutzten Sinnbilder, so Auger, wenn es darum ginge, die technologische Zukunft zu veranschaulichen. Dabei habe sich das Bild des Roboters über die Jahre durchaus verändert. Es spiegele sowohl den jeweils aktuellen Stand der technologischen Entwicklung, aber auch unsere Erwartungen an Technologie sowie unsere Befürchtungen wider. Obwohl der Roboter nun seit fast einem Jahrhundert omnipräsent in den Medien behandelt wurde und sich auch die Industrie mit Robotern auseinandergesetzt hat, müsse der Roboter einen sinnstiftenden Platz in unserem Leben und unserem zu Hause erst noch finden. Auf Basis von ökologischen und biologischen Konzepten der Evolution und Domestikation argumentierte er, dass die meisten Roboter eigentlich für den Alltagsgebrauch ungeeignet seien.

Robotikforschung aus dem Blickwinkel der Bürger

Weitere Impulse gaben geladene interessierte Bürgerinnen und Bürger. Sie betrachteten die Vorträge und Vorstellungen der Techniklösungen durch ihre Alltagsbrille und gaben den Expertinnen und Experten wertvolle Hinweise zur tatsächlichen Alltagstauglichkeit.

Was halten Sie von Robotern? Corinna Bernhardt (Mitte) und Nico Krüger (rechts) gaben Professor Dr. Marc Hassenzahl (links/Uni Siegen) von der Begleitforschung GINA Auskunft darüber, wie sie persönlich als Bürgerin und Bürger Technikentwicklungen in der Robotik wahrnehmen.© VDI/VDE-IT/Hansen-Schweitzer

In begleitenden Workshops wurden zentrale Themen konkretisiert, diskutiert und Ergebnisse erarbeitet, zum Beispiel zur Akzeptanz bei sozialen Robotern. Was versteht man unter Akzeptanz und wie kann man sie messen? Durch welche Methoden lässt sich die Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer steigern? In der sehr interdisziplinär aufgestellten Gruppe von Ingenieuren über Interaktionsforschenden und Entwicklern von Innovationen in der Pflege bis hin zu Arbeitswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern und klassischen Robotikexperten wurde ein Konzept erarbeitet, wie die Akzeptanz bei sozialen Robotern und ELSI zusammenspielen.

Weitere interaktive Sessions gab es zu Taxonomierung von Servicerobotern sowie Datenschutz – DSGVO in der MTI-Forschung. Im Workshop zum wichtigen Thema „Sicherheit“ wurden verschiedene Normen und Richtlinien für die Hersteller von robotischen Systemen vorgestellt. Die Gruppe betrachtete, welche Prüfungen und Beurteilungen die Hersteller zur Sicherstellung der Konformität durchzuführen haben. Dies konnte am praktischen Fallbeispiel diskutiert werden. In der Abschlussdiskussion wurden konkrete Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ihren Forschungsprojekten zu den konkreten Herstellerpflichten in punkto Sicherheit besprochen. Sicherheitsspezialisten gaben Handlungsempfehlungen für offene Fragestellungen. Wie gehe ich zum Beispiel vor, wenn ich auf keine Normen zurückgreifen kann?

Dies waren die Themen: Die Programmpunkte im Einzelnen:

ARAIG stellt Erkenntnisse aus ARA 1 vor

Autonome Roboter für Assistenzfunktionen: Interaktive Grundfertigkeiten“ (ARA)

Zum Start des Vernetzungstreffens stellten die Projekte der ARA Bekanntmachung ihre Forschungsergebnisse vor. Im Zentrum stehen interaktive Grundfertigkeiten, die Roboter zu einfachen Tätigkeiten, Handreichungen und Absprachen mit Menschen befähigen. Auf diese Weise bilden sie die Basis zur Koordination von Ort, Ressourcen und Aufmerksamkeit und damit zum besseren Zusammenwirken von Mensch und Roboter. Moderiert wurden die Vorträge und Ergebnisse der Projekte durch die Begleitforschung von ARA1 unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Jürgensohn von der HFC Human-Factors-Consult GmbH.

Abgestimmte Forschung zur Interaktion zwischen Menschen und Robotern

Die Ziele des Begleitprojekts ARAIG waren die Sammlung und der Transfer von Erkenntnissen aus den insgesamt acht Verbundvorhaben sowie die Erforschung von projektübergreifenden Themen. Dazu gehörten bspw. die Standardisierung von Softwareschnittstellen und Datenformaten, die Sicherheitsevaluation, die Messbarkeit von Roboterverhalten, die Einbindung von Robotern in soziotechnische Systeme sowie rechtliche und ethische Fragen. So wurde etwa die Technologiefolgenabschätzung aus ethischer Perspektive betrachtet und über wichtige rechtliche Rahmenbedingungen diskutiert. Hierbei ging es den Forschenden auch um moralische Entscheidungen autonomer Roboter. Was bedeutet Autonomie in der Mensch-Technik-Interaktion? Hierfür haben die Forschungsprojekte unterschiedliche Anwendungsszenarien betrachtet und Möglichkeiten der Nutzersteuerung und anwenderfreundlichen Roboterkontrolle erarbeitet.

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GINA stellt Technik-Erkenntnisse aus RA2 vor

Die Fördervorhaben der Bekanntmachung „Roboter für Assistenzfunktionen: Interaktionsstrategien“ beschäftigen sich mit flexiblen und leistungsfähigen Lösungen für eine optimale Interaktion von Menschen mit Robotern. Dabei wird das gesamte Spektrum von Mensch-Roboter-Interaktionen (MRI), also geeignete Interaktionslösungen für jede Alltagssituation, adressiert. Die Lösungen nehmen das individuelle Interaktionsverhalten von Menschen und deren Umfeld wie auch die technologischen Möglichkeiten in den Blick. Sie berücksichtigen zum einen die gesellschaftlichen Anforderungen an eine „interaktive Robotik“, zum andere aber auch die einfache Nutzung von Technik, das Vertrauen in Technik und die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Technik.

Drei wesentliche Säulen wurde anlässlich des Vernetzungstreffens unter der Moderation von Judit Dörrenbächer und Dr. Diana Löffler und der Universität Siegen und Projektleiterinnen des Begleitprojekts GINA diskutiert:

Prototyping
Im Gegensatz zur Fabrikhalle ist der Alltag für Assistenzroboter sehr komplex. Für Roboterhersteller ist es daher gar nicht so leicht zu antizipieren, womit Roboter in sozialen Zusammenhängen konfrontiert sein werden und welche Funktionen die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer überhaupt bereichern. Ganzheitliche Prototypingmethoden, wie Rollenspiel oder Virtual Reality-Simulation, sind hier hilfreiche Werkzeuge, um frühzeitig Varianten auszuprobieren.

Partizipation
Damit Mensch-Roboter-Interaktion gelingt, müssen die Interaktionspartnerinnen und -partner von Robotern, also Menschen in Pflegeeinrichtungen, zu Hause, in Supermärkten und Bahnhöfen, in den Entwicklungs- und Gestaltungsprozess von Anfang an einbezogen werden. In diesem Kontext sind auch Antworten auf juristische Fragen, beispielsweise zum Datenschutz, und ethische Fragen, beispielsweise zur Emotionalisierung von Maschinen, auszuhandeln.

Robotische Superkräfte
Roboter haben ganz eigene und andere Fähigkeiten als Menschen. Roboter langweilen sich nie, sie sind nicht beleidigt, wenn sie aus Frust einmal beschimpft werden und man kann sich ihre Persönlichkeit nach eigenen Vorstellungen zusammenstellen. Damit Roboter einen echten Mehrwert für den Alltag bieten können, macht es also Sinn, diese Fähigkeiten zu stärken und in der Gestaltung an eine ganz neue Spezies zu denken, statt schlicht die Fähigkeiten und das Äußere des Menschen zu kopieren.

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Ausblick auf RA3: Neue Bekanntmachung in der Reihe „Roboter für Assistenzfunktionen"

Ein kurzer Vortrag stimmte die Teilnehmenden in die Inhalte und Schwerpunkte der dritten Bekanntmachung des BMBF in der Reihe „Roboter für Assistenzfunktionen" ein. Unter dem Titel „Roboter für Assistenzfunktionen: Interaktion in der Praxis“ bleibt Interaktionsfähigkeit weiterhin Themenschwerpunkt, denn praxistaugliche interaktionsfähige Assistenzroboter bieten in den Bereichen Wohnen, Haushalt, Gesundheit, Kommunikation und Dienstleistung noch erhebliche Innovationspotenziale.

Gegenstand der Förderung soll die Planung, der Aufbau und der Betrieb von Kompetenzzentren für interaktive Assistenzrobotik sein. Ziel ist die Erprobung existierender Assistenzroboter in praxisnahen und nichtindustriellen Anwendungsszenarien. Wichtiger Bestandteil werden dabei aussagekräftige Nutzertests in längeren Erprobungsstudien sein. Die Aufgaben der Kompetenzzentren umfassen u.a. die Entwicklung von Test-Szenarien, Metriken und Benchmarks, die Optimierung der Sicherheit und die Verbesserung der Datenlage zur Assistenzrobotik.
Die Veröffentlichung ist für Anfang 2020 geplant.