Vernetzung in digitalen Räumen

Am 2. und 3. Dezember 2020 fand ein Vernetzungstreffen der Projekte aus der Fördermaßnahme „Interaktive Systeme in virtuellen und realen Räumen – Innovative Technologien für ein gesundes Leben“ statt. Passend zum Thema der Bekanntmachung trafen sich die etwa 80 Teilnehmenden in einer virtuellen Kongressumgebung, in der sie sich als 3D-Avatare frei bewegen und miteinander interagieren konnten.

Das Vernetzungstreffen fand in einer virtuellen 3D-Welt statt.© TriCAT GmbH

 „An virtuelle Konferenzen haben wir uns alle inzwischen gewöhnt. Als Avatar an einem Vernetzungstreffen teilzunehmen, das ist jedoch eine Neuheit“, sagte BMBF-Abteilungsleiterin Prof. Dr. Veronika von Messling zu Beginn ihrer Begrüßungsrede an das virtuell versammelte Publikum. Tatsächlich gehörten die Expertinnen und Experten aus dem Bereich der virtuellen und augmentierten Realität zu den ersten vom BMBF geförderten Forschungsgruppen, die eine komplette Vernetzungsveranstaltung in der virtuellen Welt durchgeführt haben. Auch wenn die Wahl vor allem pandemiebedingt auf das rein virtuelle Veranstaltungsformat fiel, war es doch angesichts der Themen der Fördermaßnahme sehr passend. 

Prof. Dr. Veronika von Messling, die Leiterin der Abteilung 6 „Lebenswissenschaften“ im BMBF hielt eine Begrüßungsrede vor dem virtuellen Publikum. © TriCAT GmbH

 Wertvolle Arbeit der Living-Labs

In der Förderlinie wurde erstmalig die Begleitforschung in Form von Living Labs umgesetzt. Die insgesamt drei begleitenden Living Labs HIVE-Lab, VITALab und LL-ARTEKMED präsentierten ihre jeweiligen Ansätze und Ergebnisse aus der Zusammenarbeit mit den Projektgruppen. Die Living Labs stehen nicht nur grundsätzlich für alle Projektgruppen beratend zur Seite, sondern stellen darüber hinaus auch Equipment zur Verfügung und setzen, so wie beispielsweise bei der Kooperation des VITALab.One mit dem Projekt EXGAVINE auch größere Feldstudien um. In einer Breakout-Session hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich zu bisherigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Living Labs auszutauschen und Verbesserungsvorschläge zu formulieren. Hier wurde betont, dass die Living Labs grundsätzlich sehr wertvolle Arbeit leisten. Es wurde aber auch der Wunsch geäußert, die Arbeit der Living Labs bereits vor dem Start der Projektgruppen beginnen zu lassen, damit das Setup und das Angebot der Living Labs von Anfang an zur Verfügung steht und besser in die Planungen der jeweiligen Gruppen integriert werden kann.  

In einer Talkshow diskutierten die Forschenden, inwieweit Forschungsevaluation in Zeiten einer Pandemie möglich ist.© TriCAT GmbH

Evaluationen in Zeiten von Corona – Im Zweifel geht Sicherheit vor Forschung

In einem Talkshowformat diskutierten die Teilnehmenden, wie Forschungsevaluation in Zeiten von Corona funktionieren kann. Eine Umfrage unter den Teilnehmenden zeigte zu Beginn, dass viele Projekte in der sinnvollen Umsetzung von Probandenstudien erheblich eingeschränkt waren. In vielen Fällen hatten Forschungseinrichtungen zeitweise schließen müssen oder Probanden konnten aus Ansteckungsgefahr nicht anreisen. Unter welchen Voraussetzungen Evaluationen dennoch möglich sein könnten, diskutierten im virtuellen Plenum: Dr. Anika Heimann-Steinert (Charité Berlin), Frank Schubert (Hospital zum Heiligen Geist in Hamburg), Prof. Dr. Simone Kühn (Universitäts-Klinikum Hamburg Eppendorf), Prof. Dr. Marc Hassenzahl (Universität Siegen) und Frau Celine Gressel (Universität Tübingen). Wichtig war den Diskutanten die strikte Umsetzung von Hygienekonzepten, die konsequente Entflechtung von Forschungsbereichen- und Räumlichkeiten und regelmäßige Testungen. Es wurden aber auch wissenschaftsethische Fragen gestellt, allen voran die zentrale Überlegung: Ist Forschung während der Pandemie überhaupt wichtig, wenn man dadurch Probanden in Gefahr bringt? Die Teilnehmenden waren sich einig: Risiko und Vorteil einer Probandenstudie müssen stets abgewogen werden. Im Zweifel müsse eine Evaluation ausfallen um Menschenleben zu schützen. Gleichzeitig reflektierte die Gruppe, dass eine anhaltende Einschränkung bei der Durchführung von Probandenstudien auch eine Verschiebung von Forschungstrends mit sich bringen könne. Denn wenn nutzerzentrierte Forschung über längere Zeit nicht möglich sei, bestünde die Gefahr, dass alternative Forschungssetups gewählt würden, bei denen der Mensch – zumindest die Evaluation betreffend – eine sekundäre Rolle spielen könnte.

Tamiko Thiel erläuterte in ihrer Keynote das Zusammenspiel zwischen AR- und VR-Simulationen dem Menschen als deren Betrachter.© TriCAT GmbH

Digitale Simulation und menschliche Reaktion verschmelzen in der Kunst

Die Keynote der amerikanischen Künstlerin Tamiko Thiel zum Start in den zweiten Tag, orientierte sich weitestgehend an ihrem persönlichen Werdegang und stellte dabei ausgewählte Arbeiten aus den Bereichen virtuelle und augmentierte Realität vor. Frau Thiel verdeutlichte dabei nicht nur den technischen Fortschritt seit Mitte der 1980er Jahre, sondern machte zudem an einigen Beispielen auf das Zusammenspiel zwischen ihren Kunstinstallationen und den betrachtenden Menschen aufmerksam: Die Installationen der virtuellen und augmentierten Realität schaffen ein dynamisches Erlebnis für die Menschen. In diesem Zusammenhang zeigte Frau Thiel etwa eine virtuelle Rekonstruktion der Berliner Mauer oder eine AR-Simulation in einem Hochhaus, die auf die Verschmutzung des Meeres aufmerksam machen sollte. Die Art und Weise, wie Menschen auf die Technologie reagieren, sei ein Bestandteil der Kunst – beispielsweise, wenn der Mensch nicht auf Anhieb versteht, wie die Kunst zu begreifen ist und dabei positive oder negative Assoziationen hervorgerufen werden. Viele Erkenntnisse über die Akzeptanz von Kunst ließen sich auch auf die Akzeptanz von AR- und VR-Technologie übertragen und stehen somit in direktem Bezug zur Arbeit in den Forschungsprojekten.

Die Workshops gaben einen Einblick in die Arbeit der Living Labs. © TriCAT GmbH

Ein (virtueller) Blick in die Welt der AR- und VR-Technologien

Der zweite Veranstaltungstag stand dann ganz im Zeichen der Workshops. Die Inhalte der Workshops waren im Vorfeld von den Living Labs vorbereitet worden. Es handelte sich dabei um stark verkürzte Sessions, die den Teilnehmenden die Möglichkeit geben sollten, in Angebote der Living Labs reinzuschnuppern. Umfassende, teilweise mehrtägige Workshops zu den Themengebieten sind geplant. Die Breite der Workshops zeigt die Interdisziplinarität des Forschungsfeldes, mit Themen aus der Informatik, Elektronik, Sensorik und Aktorik, der Kreation von 3D-Inhalten, Psychologie, Datenschutz sowie Methoden zur Evaluation und zum Design in VR. Im Workshop „Tracking Technologien“ stellte Philipp Ladwig von der Hochschule Düsseldorf beispielsweise das sogenannte Mirevi-Motion-Hub vor, das die digitale Erfassung von Körperbewegungen künftig vereinfachen soll. Dabei handelt es sich um eine Schnittstelle, die Daten aus unterschiedlichsten Trackingsystemen in ein einheitliches Format überführen kann, um diese durch eine Game-Engine zu visualisieren. Die Vorteile sind zum einen, dass Forschende mit unterschiedlichen Tracking Systemen arbeiten können und für die Umwandlung der Daten nur noch Sekunden statt Stunden oder Tagen benötigen. Zum anderen erlaubt das System auch den Einsatz von Preisgünstigen Tiefenkameras. Im Workshop „Privacy in VR“ widmete sich Dr. Michael Raschke von der Blickshift GmbH der Frage, welche biometrischen Daten man bei der Entwicklung von VR-Anwendungen tatsächlich braucht und welche aus Datenschutzgründen besser nicht erhoben werden sollten. Hintergrund war die Erkenntnis, dass die Biometrie, besonders die Augenbewegungen viele Schlüsse auf den kognitiven Zustand und die Emotionen der Nutzenden zulässt und unter Umständen datenschutzrechtliche Nachteile mit sich bringen könnte, was wiederum die Akzeptanz der Technologien erschweren kann.

Ausblick

Das diesjährige Vernetzungstreffen fand pandemiebedingt im virtuellen Raum statt und war aufgrund einer übersichtlichen, gut gegliederten Agenda, dem sehr engagierten Mitwirken der Teilnehmenden und nicht zuletzt innovativer Programmpunkte wie den Auflockerungsübungen, zu denen die Physiotherapeutin Ilona Lamm (Hospital zum Heiligen Geist) die Teilnehmenden in regelmäßigen Abständen animierte, ein voller Erfolg. Das nächste Treffen der Projektgruppen findet voraussichtlich Ende 2021 statt und markiert damit bereits das Ende der Förderbekanntmachung. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Treffen wieder in gewohnter Manier – als Präsenztreffen – stattfinden kann.

Weitere Informationen

Bekanntmachung „Interaktive Systeme in virtuellen und realen Räumen – Innovative Technologien für ein gesundes Leben“ (VAR1)

Bekanntmachung „Interaktive Systeme in virtuellen und realen Räumen – Innovative Technologien für die digitale Gesellschaft“ (VAR2)