Informell Pflegende an Forschung beteiligen

Erstes Vernetzungssymposium der partizipativen Projekte der BMBF-Förderrichtlinie „Technologiegestützte Innovationen für Sorgegemeinschaften zur Verbesserung von Lebensqualität und Gesundheit informell Pflegender“ (PAZ) in Kempten.

© Adobe Stock / Robert Kneschke

Am 7. September 2023 trafen sich rund 50 Expertinnen und Experten zum hybriden Vernetzungssymposium der Förderrichtlinie PAZ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die Veranstaltung fand in der Denkfabrik der Hochschule Kempten, einem Verbundpartner des Begleitforschungsprojekts PiTiPS, statt. Eingeladen waren nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Projektverbünden, sondern auch der Bürgerbeirat „Informell Pflegende“, der die Förderrichtlinie von Anfang an partizipativ begleitet hat.

Anlass des Treffens war neben der Vernetzung vor allem auch der Übergang der Projekte von Phase 1 in Phase 2. Daher präsentierten Vertreterinnen und Vertreter der an der zweiten Phase beteiligten Projektverbünde nicht nur ihre bisherigen Ergebnisse, sondern gaben zudem einen Ausblick auf die nächsten Schritte:

Gesi-BK

Das im Projekt Gesi-BK forschende Team entwickelt eine digitale Anwendung zur Unterstützung und Vernetzung der Sorgenetzwerke von Menschen mit fortgeschrittenem Brustkrebs. Dazu ermittelten die Forschenden in der ersten Projektphase nicht nur die spezifischen Unterstützungsbedarfe der Zielgruppe und deren Zugang zu digitalen Medien. Gemeinsam mit Betroffenen und Selbsthilfegruppen untersuchten sie zudem das Unterstützungspotenzial bestehender Anwendungen. In der zweiten Projektphase wird das Team die als hilfreich identifizierten Angebote in das leicht zugängliche Gesi-BK-Gesamtsystem integrieren. So erleichtern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kontinuierlich den Zugang zu etablierten Hilfs- und Unterstützungssystemen.

Kraft-Copilot

Die digitale Kraft-Copilot-Plattform soll zur Stärkung der Selbstfürsorge junger informell Pflegender beitragen. Durch die Bildung von Sorgegemeinschaften wollen die Forschenden deren gesellschaftliche Teilhabe erweitern und die Vereinbarkeit verschiedener Lebensbereiche stärken. Gemeinsam mit ihrer Zielgruppe haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der ersten Projektphase herausgefunden, wie die Plattform umgesetzt sein muss, um die Selbstfürsorge zu fördern. In der zweiten Projektphase werden sie die Plattform mit spielerischen Elementen ergänzen, die nicht nur einen Prozess der Selbstreflexion anregen sollen. Ein intelligentes System soll zudem bedarfsgerechte Unterstützungs-, Lern- und Vernetzungsangebote vorschlagen.

MEAPP

Informell Pflegenden und Menschen mit Pflege- und Assistenzbedarf wollen die im Projekt MEAPP Forschenden einen niedrigschwelligen Zugang zu Hilfsangeboten und Assistenzleistungen ermöglichen. Dazu kreieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine digitale Assistenz-Plattform, die mehrsprachige und sprachlich inklusive Informationen rund um Pflege und Assistenz zur Verfügung stellt. Dabei haben sich die informell Pflegenden nicht nur an der Entwicklung beteiligt (1. Projektphase). Sie wirken zudem an der Verbreitung und sozialräumlichen Verankerung der Plattform in einer kleinstädtisch und ländlich geprägten Region mit (2. Projektphase).

Pflegeschätze

Eltern pflegebedürftiger Kinder bauen sich oft über Jahre einen großen Erfahrungsschatz in der pflegezentrierten Alltagsbewältigung auf. Das im Projekt Pflegeschätze forschende Team will gemeinsam mit Eltern diese wertvollen Erfahrungen sammeln und auf einer Plattform veröffentlichen. Ziel ist es, pflegenden Familien nicht nur Entlastung im Pflege- und Lebensalltag zu verschaffen, sondern ihnen auch Teilhabemöglichkeiten an Urlaub und Freizeitaktivitäten aufzuzeigen. Besonders neue Pflegende gelangen so an sonst unzugängliches, auch nicht-medizinisches Wissen zur Alltagsbewältigung. In der ersten Projektphase identifizierte und visualisierte das Forschungsteam erprobte Innovationen zur Entlastung im familiären Pflegealltag. In der zweiten Projektphase werden sie diese Informationen digital zugänglich machen und selbstorganisiert Pflegenden die Möglichkeit bieten, eigene Ideen einzubringen.

QuartierPflegeApp

Die an der QuartierPflegeApp forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln seit Projektphase 1 eine digitale Plattform, auf der sich Sorgegemeinschaften vernetzen und effizient abstimmen können. Die QuartierPflegeApp soll nicht nur informell Pflegende entlasten, sondern auch professionell Pflegende einbeziehen. In der zweiten Projektphase wollen die Forschenden die App so weiterentwickeln, dass sich die Sorgegemeinschaften noch leichter organisieren und koordinieren können. Damit reale Bedürfnisse bei der Weiterentwicklung Berücksichtigung finden, unterstützen verschiedene Zielgruppen bei der Aufgabendefinition, Entwicklung und Testung der Software-Bestandteile. Zudem erproben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die jeweiligen Entwicklungsstufen kontinuierlich an den Pilotstandorten der QuartierPflege auf ihre Alltagstauglichkeit.

Bürgerbeirat „Informell Pflegende“

Mit dem Ziel, Pflegenden eine Stimme zu verleihen, rief das BMBF im Jahr 2021 den Bürgerbeirat „Informell Pflegende“ ins Leben. Seitdem begleitet der Bürgerbeirat die Fördermaßnahme „Technologiegestützte Innovationen für Sorgegemeinschaften zur Verbesserung von Lebensqualität und Gesundheit informell Pflegender“ als nichtwissenschaftliches Gremium. Durch die Teilnahme an Gutachtersitzungen, die Bewertung von Forschungsskizzen und die beratende Begleitung der geförderten Projekte erhält der Bürgerbeirat die Gelegenheit, Forschung aktiv mitzugestalten und persönliche Erfahrungen und Expertenwissen in die Forschung einzubringen.

Auch beim Übergang der Projekte in Phase 2 hat der Bürgerbeirat aktiv mitgewirkt und z. B. nach Sichtung der eingereichten Forschungsskizzen Empfehlungen für die Weiterförderung ausgesprochen. Daher erhielt der Bürgerbeirat im Rahmen des PAZ-Vernetzungstreffens die Gelegenheit, seine Perspektive auf die Einbindung von pflegenden Angehörigen in Forschungsprozesse darzulegen.

Partizipative Technikentwicklung mit informell Pflegenden und Sorgegemeinschaften

Nach einer interaktiven Podiumsdiskussion zum Thema „Partizipative Technikentwicklung mit informell Pflegenden und Sorgegemeinschaften – ein Blick über den Tellerrand“ teilten sich die Anwesenden auf, um während eines Spaziergangs verschiedene Themen zu besprechen. Zur Wahl standen „Einbindung von ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten (ELSA) in die Forschung“, „Partizipation bei Technikentwicklungen“ sowie „Konsultation des Bürgerbeirats Informell Pflegender“. Die Teilnehmenden im digitalen Raum erörterten ähnliche Themen in Breakout-Sessions. Anschließend präsentierten die Workshop-Leitenden die Gruppenergebnisse.

Im Anschluss an die Projektvorstellungen rundete Prof. Dr. Peter Zängl von der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW im Schweizerischen Olten den dialogreichen Tag ab. Seinen Vortrag zum Thema „Partizipative Entwicklung von Caring Communities“ widmete er der Definition des Begriffs „Sorgegemeinschaft“. Moderator Tom Schmiedel von der Agentur Nordsonne identity fasste den gemeinsamen Konsens des Tages zusammen: Für den erfolgreichen Transfer der wissenschaftlichen Ergebnisse in die Praxis ist die Einbeziehung der „Praxis“ in den Forschungsprozess unerlässlich.

Link zur Bekanntmachung

https://www.interaktive-technologien.de/foerderung/bekanntmachungen/paz