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Delir-Risiko mit KI reduzieren
Die im Projekt KIDELIR Forschenden haben eine Technologie entwickelt, die das individuelle Risiko für Delire erkennt. Delire sind Zustände akuter kognitiver Verwirrtheit, die durch körperliche oder psychische Stressfaktoren ausgelöst werden. Das hybride, auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende System unterstützt bei der Bewertung des Delirrisikos stationär versorgter Patientinnen und Patienten. Es dient Pflegefachpersonen, Ärztinnen und Ärzten als Entscheidungshilfe und ermöglicht eine frühzeitige Durchführung präventiver Maßnahmen im Pflegealltag.
Delire sind eine der häufigsten Komplikationen in der stationären Versorgung älterer Patientinnen und Patienten. Unerkannt können sie schwerwiegende Folgen für Betroffene haben: Dazu zählen ein erhöhtes Komplikations- und Sterberisiko, verlängerte Klinikaufenthalte und weitere Langzeitfolgen. Die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Delir ist zeit- und kostenintensiv. Da sie mehr Unterstützung bei der Durchführung der Lebensaktivitäten benötigen, ist ihre Betreuung aufwändig und in der Pflegepraxis sehr belastend. Der meist verlängerte stationäre Aufenthalt betroffener Personen sorgt gleichzeitig für eine hohe psychische Belastung für das pflegerische und medizinische Team. Eine Vielzahl der Delire lässt sich jedoch durch eine gute Risikoeinschätzung und präventive Maßnahmen verhindern. Auf KI basierende Entscheidungshilfen können die pflegerische Praxis erleichtern und zur Qualität der Pflege beitragen.
Die Prävention von Deliren erfordert eine solide Datengrundlage, die individuelle Risiken verlässlich abbildet. Daher trainierten die Forschenden des Projekts KIDELIR eine KI mit anonymisierten Daten von über einer Million stationärer Fälle aus dem digitalen Krankenhausinformationssystem. Darin flossen u. a. Informationen über Medikamente, Diagnosen, Labor- und Vitalparameter sowie Screening- und Assessment-Ergebnisse ein. Das Resultat: Die KI kann Daten analysieren, Muster erkennen und das individuelle Delirrisiko in einer digitalen Kurve anzeigen. Diese Informationen kann das Behandlungsteam mit seiner eigenen Risikobewertung abgleichen. Dies verbessert und beschleunigt die Entscheidung über das individuelle Risiko und ermöglicht das frühzeitige Einleiten von Präventionsmaßnahmen.
Da Delire häufig unerkannt bleiben und aus unterschiedlichen Gründen unterberichtet sind, ist das Schaffen einer soliden Datengrundlage, die das Risiko eines Delirs verlässlich abbildet, maßgeblich für den Erfolg einer KI-gestützten Vorhersage. Daher hat das Forschungsteam ein großes Sprachmodell (Large Language Model) trainiert, das zur nachträglichen Kennzeichnung (labeling) der Daten der Patientinnen und Patienten genutzt wird.
Die aktive Einbindung von Pflegefachpersonen in technologische Entwicklungen, insbesondere im Bereich der KI-basierten klinischen Entscheidungshilfen, kann entscheidend zu deren Erfolg beitragen. Die Forschenden haben daher von Beginn an Pflegefachpersonen, aber auch Ärztinnen und Ärzte partizipativ in den Entwicklungsprozess der KI-basierten Entscheidungshilfe einbezogen. In mehreren Workshops und Interviews haben sie Belastungen, Herausforderungen und Bedürfnisse beim Delirmanagement identifiziert, um u. a. ethische Anforderungen und Wünsche an die Funktionsweise des hybriden KI-Systems zu erfassen.
Die im Projekt gewonnenen theoretischen und praktischen Erkenntnisse können in Folgeprojekten in die klinische Regelversorgung transferiert werden.