Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion 2 beschäftigte die Frage, was eigentlich als virtuelle oder erweiterte Realität bezeichnet werden kann und soll. Sie fanden es besonders lohnenswert, die große Diversität möglicher Technologien und damit erfahrbarer Sinneseindrücke zu betrachten. Prof. Dr. Jan Borchers berichtete von einem Projekt zur erweiterten Realität nur durch ein Hörerlebnis. Dabei könne man beispielsweise einen historischen Festakt miterleben, indem man sich durch einen – inzwischen leeren – Raum bewege, in dem die Geräusche aus der Vergangenheit an verschiedenen Positionen eingespielt werden. Er betonte außerdem, dass die ersten technologischen Anfänge der virtuellen Realität tatsächlich nur Einblendungen in das Sichtfeld des Menschen waren. Er persönlich schreibe diesem Konzept deutlich mehr Potenzial zu, als der vollständigen virtuellen Realität.
Während es eine offene Frage blieb, ob irgendwann das „ultimative Display“, also die Veränderung von Materie im Raum durch einen Computer, möglich sein würde, sei es schon jetzt wichtig, über die Bedeutung aktueller Erfahrungen in VR/AR zu sprechen. Axel Steinkuhle sagte, wenn dieser Kongress und diese Podiumsdiskussion eine Simulation seien, und er nur ein „Gehirn im Tank“ wie in der Science-Fiction-Literatur beschrieben, das den vorgetäuschten Kongress nicht von der Realität unterscheiden könne, würde er sich gerne weiter täuschen lassen. Prof. Borchers und Prof. Dr. Carolin Wienrich waren sich ebenfalls darüber einig, dass der Mensch sich sehr gerne täuschen lässt, speziell bei positiven Situationen und Szenarien. Die mit den virtuellen Erfahrungen verbundenen Emotionen hätten auch einen sehr großen Einfluss darauf, wie man sich an das Erlebte erinnert. Dabei sei die virtuelle Realität, wie Andrea Heuck erläuterte, ein Freiraum, ein Übungsraum, in dem wir uns ausprobieren könnten, ohne es in der Realität tun zu müssen. Die dadurch möglichen Ansätze, von therapeutischen Interventionen bis zu Selbsterfahrungen beispielsweise in anderen kulturellen Kontexten oder in Trainingssituationen, könnten für Menschen sehr nützlich sein. Besonders erfolgreich seien solche Maßnahmen, wenn der Mensch nicht alleine in der virtuellen Realität ist, sondern dort mit weiteren Menschen gemeinsam etwas erlebt oder eine Aufgabe gemeinsam löst.
Heuck stellte dabei auch die Frage in den Raum, ob wir uns vielleicht in VR freier begegnen können, als in „real to real“. Prof. Wienrich verwies darauf, dass in der Psychologie gut untersucht sei, wie Menschen beim Betrachten von Filmen „Stellvertreter-Gefühle“ beziehungsweise „als-ob-Gefühle“ bekämen. So gruselten wir uns gerne in Horrorfilmen, wenn wir selbst nicht in Gefahr seien. Spannend wäre aus ihrer Sicht aber die Frage, ob es bei solchen Stellvertreter-Gefühlen auch in VR bliebe, oder ob wir es dort mit echten eigenen Gefühlen zu tun bekämen.
Steinkuhle war auch wichtig, dass Menschen zunächst VR/AR-Technologien kennenlernen und für die Unterhaltung nutzen können. Er hoffe, dass wir zukünftig als Patient einen Arzt mit AR-Brille nicht bedrohlich finden, wenn wir selbst schon mal eine solche Brille, zum Beispiel bei einem Computerspiel, getragen hätten.