Interview mit Florian Lauf: „Das Bewusstsein für den Wert von Daten schärfen“

Wie passen Datensouveränität und Datenökonomie zusammen? Das BMBF-Projekt DaWID („Datenzentrierte Wertschöpfungsplattform für interaktive, assistierende Dienstleistungssysteme“) erforscht das Verhältnis zwischen datenbasierten Geschäftsmodellen und der Datensouveränität von Bürgerinnen und Bürgern. Kürzlich hat das Projekt ein neues Positionspapier veröffentlicht.

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Florian Lauf, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fraunhofer ISST in Dortmund.©Fraunhofer ISST/Sascha Kreklau.

Das Papier beleuchtet die Themen Datensouveränität, Datenökonomie, Datenrecht und Datenethik. Dabei wurden zehn Spannungsfelder identifiziert, die Herausforderungen für die informationelle Selbstbestimmung darstellen. Florian Lauf vom Fraunhofer ISST, dem Konsortialführer des Projekts, erklärt uns im Interview, woran genau DaWID arbeitet. Und warum die Datensouveränität der Bürgerinnen und Bürger und das Datensammeln von Unternehmen nicht immer einen Widerspruch darstellen müssen.

Herr Lauf, woran forscht das Projekt DaWID?
Im Projekt DaWID erforschen wir, wie datengetriebene Wertschöpfungsketten – mit Fokus auf Datensouveränität – für die Bürgerinnen und Bürger gestaltet sein müssen. Wir möchten, dass die Menschen informationelle Selbstbestimmung erlangen, indem sie transparent und souverän entscheiden, wer welche ihrer personenbezogenen Daten zu welchem Zweck nutzen darf. Sie sollen wissen, wie sie selbst an Wertschöpfungsketten, die auf ihren Daten basieren, teilhaben können.

In diesem Zusammenhang fällt oft der Begriff „Privacy Paradox“. Was genau ist das?
Das Privacy Paradox beschreibt das Verhalten von Personen, die einerseits Datenschutz oder Privatsphäre fordern, andererseits aber bedenkenlos persönliche Informationen im Internet freigeben. Es ist jedoch umstritten, ob dieses Verhalten tatsächlich ein Paradoxon darstellt. Der Mensch trifft Entscheidungen und wägt dafür Kosten und Nutzen ab. Sieht der Mensch beispielsweise in der Veröffentlichung von persönlichen Bildern Vorteile, so veröffentlicht er sie.

Sie sprachen von „datengetriebenen Wertschöpfungsketten“. Wie genau funktionieren solche datenbasierten Geschäftsmodelle? Und was macht die Daten von Bürgerinnen und Bürgern so wertvoll?
Daten gelten als Wirtschaftsgut und datenbasierte Geschäftsmodelle nutzen diese, um beispielsweise kundenspezifische Dienstleistungen anzubieten. Oftmals sind es Plattformen, die diese Geschäftsmodelle umsetzen, wie Facebook, Amazon oder Airbnb. Insbesondere personenbezogene Daten sind wertvoll, weil mit den gewonnenen Erkenntnissen individuelle Wünsche besser bedient werden können. So entstehen personenbezogene Produkte und Dienstleistungen, die ohne Daten gar nicht möglich wären. Der Bereich der Künstlichen Intelligenz ist ein gutes Beispiel. Hier kann das Potenzial von KI nur ausgeschöpft werden, wenn große Datenmengen zur Verfügung stehen.

Viele Bürgerinnen und Bürger profitieren natürlich auch von datenbasierten Dienstleistungen, wollen aber auch die Souveränität über ihre Daten haben. Wie verhalten sich die Data Economy und die Datensouveränität zueinander?
Tatsächlich nimmt man intuitiv an, dass die Bedürfnisse von gewinnorientierten Unternehmen und der Datensouveränität von Bürgerinnen und Bürgern sich nicht vereinbaren lassen. Die von uns identifizierten Spannungsfelder zeigen zudem auf, dass einige Herausforderungen entstehen, wenn diese Welten vereint werden sollen. Dennoch bieten entsprechende Gegenleistungen Vorteile, sowohl für Bürgerinnen und Bürger, die ihre Daten anbieten, als auch für Unternehmen, die dadurch Zugang zu personenbezogenen Daten erhalten.

Wie sollten sich Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Datensammeln und Datensouveränität verhalten? Und was können Bürgerinnen und Bürger tun, um die Souveränität über ihre Daten zu behalten?
Unternehmen könnten in eine Vorreiterrolle schlüpfen und sich durch die Gewährung der Datensouveränität von ihrer Konkurrenz abheben. Datensouveränität könnte in diesem Kontext sogar als strategischer Wettbewerbsvorteil interpretiert werden. Zudem könnten Unternehmen von gezielten Datenweitergaben von Seiten der Nutzenden profitieren, etwa durch Kooperationen oder Teilnahmen an Datenmarktplätzen, die den Menschen wiederum die souveräne Bewirtschaftung bzw. Verwaltung ihrer Daten ermöglichen. Die Bürgerinnen und Bürger selbst sollten ihr Bewusstsein für den Wert von Daten schärfen, um so ihre Position im Ökosystem zu stärken.

Das Positionspapier des Projekts DaWID können Sie hier als PDF herunterladen.