Interview mit Barbro Scholz: Den Klimawandel am eigenen Körper spüren

Die Klima-ACT!-Technologie macht die Folgen des Klimawandels spürbar. Ziel des Forschungsteams ist es, Menschen zum Umdenken und Handeln zu motivieren. Barbro Scholz, Designerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Designforschung der HAW Hamburg, erklärt im Interview, wie das gelungen ist.

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© Lucia Bartl

Frau Scholz, wie lassen Sie Menschen den Klimawandel am eigenen Körper spüren?
Mit unserer Technologie können Menschen in einer Multi-User-Anwendung, also gemeinsam, die Auswirkungen des Klimawandels erfahren. Dazu haben wir ein virtuelles Szenario geschaffen, das eine multisensorische Erfahrung bietet: Wir haben die auditiven und visuellen Reize einer VR-Umgebung mit haptischem Feedback von Wearables und weiteren textilen Komponenten ergänzt.

Welche Art von Komponenten sind das?
Das sind elektronische Textilien in Form einer Jacke mit Aktuatoren und einer getrackten Decke, die wir selbst gefertigt haben. Sie verursachen schon allein durch ihr Eigengewicht eine gewisse Körpernähe, haptisches Empfinden und Körperbewusstsein. Mit ihnen wollen wir einen niedrigschwelligen Übergang zwischen realer und virtueller Welt herstellen, um auch Menschen erreichen zu können, die nicht technologieaffin sind: Das Material Textil berührt und erreicht Nutzende dadurch physisch und emotional.

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© VDI/VDE-IT

Was sind weitere Vorteile ihres Systems?
Unsere Studien haben gezeigt, dass unsere Technologie Menschen zusammenbringt und zum Diskutieren, Nachdenken und womöglich auch zum Handeln anregt. Denn das Erlebnis ermöglicht dem Menschen eine viel intensivere und dadurch einprägsamere Erfahrung als das bloße Lesen oder Hören eines Berichts.

An welchen Erfolgsfaktoren lassen Sie sich messen?
Bei anderen Projekten, die ein Bewusstsein für eine bestimmte Problematik schaffen wollen, wird allein der Wiedererkennungseffekt bereits als Erfolg verbucht: In unserem Fall müssten Menschen demnach bei Starkregen lediglich daran denken, was sie in der Klima-ACT!-Anwendung erlebt haben.

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© Maik Helfrich / esflackert

Veranlasst Ihre Technologie tatsächlich eine Verhaltensänderung der Menschen?
Eine Verhaltensänderung können wir bisher nur kurzfristig abfragen. Aber wir geben den Teilnehmenden ja Handlungsoptionen und Leitfäden mit auf den Weg, wie sie selbst aktiv werden können. Das heißt, sie können sich überlegen, was sie unmittelbar an ihrem eigenen Verhalten ändern können. Das muss nicht deren kompletten Alltag auf den Kopf stellen, sondern kann auch ein ganz kleiner Schritt sein. Davon erhoffen wir uns natürlich langfristig Effekte.

Wo kann man bald Ihre Technologie ausprobieren?
Wir planen, uns im nächsten Jahr an einer Wanderausstellung zum Thema „Klima und Gesundheit“ zu beteiligen. Dort hoffen wir, zahlreiche Menschen erreichen und die Technologie so weiter erproben zu können.

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Das Interview wurde im April 2024 geführt.