Interview mit Prof. Dr. Carolin Wienrich: Maschinen tun nichts, das wir nicht wollen

Frau Prof. Dr. Carolin Wienrich forscht an der Universität Würzburg am Institut für Mensch-Computer-Medien.

Portrait Carolin Wienrich© Carolin Wienrich

Für Prof. Dr. Carolin Wienrich ist das Verständnis von Technik entscheidend für einen positiven Umgang damit. Das Interview wurde im Mai 2019 geführt.

Sehen Sie die Entwicklung unserer Gesellschaft eher in Richtung Utopie oder Dystopie?

Auf jeden Fall Utopie. Leider ist das Thema Künstliche Intelligenz sehr dystopisch in den Medien dargestellt. Menschen stellen sich die Zukunft teilweise so vor. Aber ich glaube, dass wir als Gesellschaft ein Mitspracherecht haben und hoffentlich wollen die meisten Menschen die Zukunft konstruktiv gestalten. Außerdem machen Dystopien Angst. Angst führt zu Vermeidung und Vermeidung führt dazu, dass wir uns nicht mit der Technologie auseinander setzen und dann wird auch die Dystopie wieder wahrscheinlicher. Also möchte ich weg von der Angst, weg von der Vermeidung und hin zum Verständnis.

Wie sehen Sie den zunehmenden Einsatz von Technologie in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheitssektor?

Das sehe ich positiv. Gerade in den Bereichen Gesundheit oder auch Umwelt können Technologien uns sehr unterstützen. Ich finde diese Bereiche besonders fruchtbar, da wir in Bezug auf Gesundheit und Umwelt oft Dinge tun, von denen wir eigentlich wissen, dass sie falsch sind. Aus Bequemlichkeit oder Gewohnheit handeln wir trotzdem so und ich glaube man kann Technik sehr gut dafür nutzen, solche Einstellungs-Verhaltenslücken zu überwinden. Ich sehe natürlich auch einige Gefahren in Bezug zur Datensicherheit und -souveränität. Aber es gilt immer der Appell, dass es an uns liegt. Maschinen tun nichts, das wir nicht wollen.

Was macht für Sie persönlich eine gute Technologie aus?

Ich wünsche mir einerseits Technik, die ich nicht mehr selber wahrnehme. Momentan ist es oft noch umständlich, nützliche Technik zu nutzen. Auf der anderen Seite wünsche ich mir Technik, die an meine kognitiven Fähigkeiten ansetzt. Ich möchte also nicht ständig korrigiert werden oder das Gefühl haben, von einer übermächtigen Technik bewacht zu werden. Wenn es dazu kommt, dass Technik mich einschränkt und mir Dinge vorschreibt würde ich das als große Dystopie empfinden.

Wieviel virtuelle Realität wünschen Sie sich im Alltag?

Ich wünsche mir dort virtuelle Realität wo mich die physische Realität an Grenzen bringt. Ich möchte die Realität nicht ersetzen, aber es gibt Dinge, die ich in der Realität nicht sehen, verstehen oder erleben kann und da freue ich mich über virtuelle Unterstützung. Virtualität kann helfen, Dinge im Wortsinn be-greifbar zu machen.

Denken Sie, dass Technologie Einfluss auf die Demokratie nimmt?

Ich hoffe das sogar im positiven Sinne. Wir reden viel über Filterblasen und emotionale Desinformationen. Aber wenn auf eine positive Art politische, demokratische Organe diese Macht erkennen und nutzen, können wir die Entwicklung in eine positive Richtung leiten. Nicht nur negative Gesellschaftsträger können neue Technologien einsetzen. Moderne Technik verschafft Menschen leichter Zugang zu Dingen. Demokratie ist etwas sehr Abstraktes und vielleicht schaffen wir es mit technischen Möglichkeiten die Demokratie in ihren Wurzeln begreifbar zu machen.

Wie ist ihre Einstellung zu sozialen Medien?

Wenn man die Frage wissenschaftlich betrachtet würde ich momentan nicht sagen, dass soziale Medien einen positiven Einfluss auf die Menschen haben. Das liegt daran, dass die Netzwerke von den entsprechenden Agenten gut bespielt werden. Die anderen, „positiven“ Agenten müssen das erst noch besser lernen. Ich denke die Nutzerzahlen bei sozialen Netzwerken werden zurückgehen. Menschen erkennen eigentlich sehr gut, wenn das Maß voll ist. So wie das früher in der Kneipe war, da war man auch in einer Filterblase. Wenn einem das zu viel geworden ist, ist man einfach mal nicht zur Skatrunde gegangen oder hat zum Nachbartisch gewechselt. Ich denke, wir Menschen sind eigentlich ganz gut darin uns nicht zu sehr blenden zu lassen. Das gilt solange wir unser selbstständiges Denken nicht verlieren, wovon ich mal nicht ausgehe.

In welche Richtung würden Sie sich künftig Forschung wünschen?

Ich wünsche mir, dass die sehr technikgetriebene Herangehensweise an Themen wie Künstliche Intelligenz, Automatisierung und Virtualisierung ergänzt wird und die Themen stärker von der menschlichen und psychologischen Seite erfasst werden. Wir sind diejenigen, die das steuern können. Und wir sind auch diejenigen, die Technik nutzen und damit interagieren. Interaktion heißt nun mal beide Seiten, Technik und Menschen, sind involviert. Als Psychologen wissen wir eigentlich schon sehr gut, wie der Mensch in sozialen Systemen funktioniert. Einen entsprechenden Blick auf aktuelle Themen würde ich mir wünschen.