Interview mit André Kunert: Gemeinsam unterwegs im hybriden Museum

Das Forschungsteam des Projekts GOETHE-LIVE-3D hat Goethes Wohnhaus in Weimar digitalisiert. André Kunert, Virtual Reality Software Engineer bei der Consensive GmbH, einer Ausgründung der Bauhaus-Universität Weimar, erklärt, wie es dazu kam.

© VDI/VDE-IT

Herr Kunert, warum haben Sie mit Ihrem Team Goethes Wohnhaus als virtuellen Erlebnisraum rekonstruiert?

Goethe hat in Weimar gewirkt und ist dort eine wichtige Institution. Entsprechend ist Goethes Wohnhaus am Frauenplan ein großer Besuchermagnet. Eine wesentliche Idee des Projekts war die Entwicklung, Realisierung und Evaluation eines hybriden Museums. Damit sollten nicht nur gemeinsame Museumsbesuche für Vorort- und Online-Besucherinnen und -Besucher ermöglicht und Mixed-Reality-Technologien eingesetzt werden, um das Museum mit interaktiven Inhalten zu ergänzen. Das Museum sollte gleichzeitig eine immersive Online-Präsenz erhalten.

Zudem ist die historische Wohnstätte leider nicht barrierefrei und soll außerdem bald eine Zeit lang zu Sanierungszwecken geschlossen werden. Wir wollten also einerseits erreichen, dass beispielsweise Enkel ihre Großeltern, die nicht nach Weimar reisen können, mit auf einen Museumsbesuch vor Ort nehmen und auch bewegungseingeschränkte Menschen das Haus besichtigen können. Andererseits wollten wir mit Blick auf die Sanierung eine orts- und zeitunabhängige Besichtigung ermöglichen und die Angebote zusätzlich mit neuen Ausstellungsformaten ergänzen.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Zum Konsortium des Projekts GOETHE-LIVE-3D gehört neben der Consensive GmbH auch die Bauhaus-Universität Weimar, die Universität Hamburg, die Curvature GmbH, die ArcTron 3D GmbH und die Klassik Stiftung Weimar. Zu Beginn hat ArcTron 3D das Goethe Wohnhaus und viele seiner Exponate mithilfe von Laserscanning und photogrammetrischen, also bildmessenden Verfahren, aufgenommen. Dabei entstand eine hochqualitative 3D-Rekonstruktion des Museums mit seinen Inhalten. 

Mithilfe von Mixed-Reality-Technologien haben wir aus diesen Daten ein System entwickelt, das das Haus und seine Exponate – darunter Büsten, Gesteine, Minerale und mittelfristig natürlich auch die Texte – virtuell zugänglich macht und detailgetreu visualisiert. Um eine breite Zielgruppe anzusprechen, funktioniert diese vollständig interaktive Datenstreaminglösung auf mobilen Endgeräten wie 3D-Brillen und Smartphones, aber auch über Webbrowser. Besucherinnen und Besucher vor Ort können mithilfe von Mobilgeräten, AR-Technologie zusätzliche Highlights der Ausstellung entdecken und weitere Personen, die sich irgendwo auf der Welt befinden, mitnehmen. Im Demonstrator der Universität Hamburg begegnen ihnen sogar intelligente Agenten, die als Museumsführerinnen und -führer fungieren können.

Wer ist Ihre Zielgruppe?

Wir möchten mehrere Nutzergruppen ansprechen: Zum einen haben wir im barrierefreien Foyerbereich des Goethe-Nationalmuseums einen großen Bildschirm und eine Reihe von VR-Brillen installiert, wo Personen mit eingeschränkter Mobilität das Wohnhaus virtuell besichtigen können, während ihre Begleitpersonen durch die reale Ausstellung gehen. Zudem haben wir auch schon erste erfolgreiche Experimente durchgeführt, wie dies als gemeinsames Erlebnis funktionieren kann. Dabei ermöglicht die Technik, dass die Menschen gemeinsam durch das Museum geführt werden, sich also gleichzeitig im selben virtuellen und realen Raum aufhalten und miteinander interagieren. Das Angebot kann künftig auch genutzt werden, um den Vor-Ort-Besuch des Museums vor- und nachzubereiten. Nicht zuletzt können Menschen das Wohnhaus zeit- und ortsunabhängig über eine immersive Online-Präsenz erleben und dabei mit den virtuellen Exponaten und Besucherinnen und Besucher vor Ort interagieren.

Wo kann man das hybride Museum testen?

Ab September 2024 führen wir weitere Veranstaltungen im Foyerbereich des Goethe-Nationalmuseums durch, bei denen die Gäste die Technologie hautnah erleben und ausprobieren können. Informieren können sich Interessierte auf den Webseiten der Klassik Stiftung Weimar. 

Weitere Informationen

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Das Interview wurde im April 2024 geführt.