Interview mit Dr. Manfred Jaschke: Selbst einfache Kommunikationsformen sind für MCS-Patienten von unschätzbarem Wert

Anlässlich der BMBF-Abschlussveranstaltung "Interdisziplinäre Forschungsprojekte in der Intensiv- und Palliativpflege" fragten wir Dr. Manfred Jaschke, General Manager Scientific and Technical Innovation, Brain Products GmbH zur Motivation, der Herausforderung und der Relevanz des Projekts „CoMiCon“ für die Zukunft der Pflege.

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© Brain Products GmbH

Herr Dr. Jaschke, um was geht es in Ihrem Projekt?

Unser Ziel ist es, mit Menschen in minimalen Bewusstseinszuständen – in wissenschaftlichen Kreisen nennen wir es MCS - eine einfache Ja/Nein-Kommunikation zu ermöglichen. Diese Patientinnen und Patienten sind nicht immer bewusstlos, sondern haben auch Phasen der Wachheit und Aufmerksamkeit. Für die Kommunikation benutzen wir ein sogenanntes Brain-Computer-Interface (BCI). Es kann die im Gehirn des Patienten erzeugten „Antworten“ auswerten und erkennen.

Wie wichtig ist Forschung auf diesem Gebiet?

Aufgrund der fehlenden Kommunikationsfähigkeit sind Menschen in MCS-Zuständen von ihrer Umgebung abgeschnitten und isoliert. Lernt eine MCS-Patientin oder ein MCS-Patient, sich mit Hilfe eines BCI-Systems wieder zu äußern, kann das Pflegepersonal viel besser auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen. Auch die Familie kann wieder unmittelbar Verbindung mit dem Angehörigen aufnehmen. Dieses Bedürfnis ist nicht zu unterschätzen, da sich auch die Familie in solchen Situationen extrem hilflos fühlt.

Was ist die Innovation in Ihrem Projekt?

Das Innovative ist die die Kombination von modernen Technologien wie Elektroenzephalographie (EEG), funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS), physiologischen Sensoren, spezialisierter Software sowie individueller menschlicher Zuwendung. So hören die Patienten verschiedene Musiken, auch ihre „Lieblingsmusik“, und Fragen ihrer Angehörigen. Dazu kommt die individuelle Betreuung durch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Klinik.

Wie weit ist der Sprung Ihrer Lösung in die Praxis?

Wir haben ein System entwickelt, mit dem die Kommunikation mit MCS-Patienten getestet und trainiert werden kann. Zwei Punkte sind für die Praxis wichtig: Erstens kann heute noch nicht bestätigt werden, dass eine Kommunikation mit MCS-Patienten immer möglich ist – dies kann nur eine große klinische Studie belegen. Zweitens ist das BCI-System noch nicht so bedienerfreundlich, dass es von Pflegefachkräften und Angehörigen verwendet werden kann. Im Projekt wurden hier zwar große Fortschritte erzielt, allerdings ist aktuell immer noch eine spezielle Ausbildung zur Anwendung notwendig.

Wo werden wir in puncto Innovationen in der Intensiv- und Palliativpflege in 20 Jahren stehen?

Unsere Vision ist es, menschliche Zuwendung mit innovativen Technologien in der Intensivpflege zu kombinieren. Die Wiedererlangung und Aufrechterhaltung selbst einfacher Kommunikationsformen ist für die Betroffenen in MCS-Zuständen, die Angehörigen und das Pflegepersonal von unschätzbarem Wert. Die Weiterentwicklung der nun zur Verfügung stehenden Methoden wird es erlauben, die für den Menschen essenzielle Verbindung von Mensch-zu-Mensch auch in der äußerst schwierigen Intensivpflege von MCS-Patienten aufrechterhalten zu können.

Das Interview wurde im Dezember 2019 geführt.

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