Interview mit Cornelia Eicher: Individuelle Selbstständigkeit stärkt die Autonomie pflegebedürftiger Personen

Cornelia Eicher, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Geriatrie AG Alter und Technik der Berliner Charité, erzählt im Interview vom Projekt ROBINA. Dort wird ein Forschungsdemonstrator auf Grundlage eines adaptiven Robotik-unterstützten Mensch-Technik-Interaktionskonzeptes entwickelt.

 

© Cornelia Eicher

Ziel des Projekts ROBINA ist es, Menschen mit amyotropher Lateralsklerose in der Intensiv- und Palliativpflege zu unterstützen. Das Assistenzsystem soll für diese Zielgruppe spezifische Aufgaben der Assistenz- und Grundpflege im häuslichen oder stationären Setting übernehmen. Cornelia Eicher berichtet davon.  Das Interview wurde im Dezember 2019 geführt.

Warum ist das Forschungsfeld so wichtig?

Die hohe Vulnerabilität der Betroffenen, der Pflegefachkräftemangel und der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff bilden die Grundlage für die im ROBINA-System identifizierten Kriterien und verdeutlichen so die Abhängigkeit, in der sich die betroffenen Patienten befinden. Um dem Wunsch nach Autonomie und Selbstbestimmung im Alltag gerecht zu werden, muss der ROBINA-Arm unterstützend Alltagsaufgaben (Kratzen, Getränke anreichen etc.) übernehmen. Die Stärkung individueller Selbstständigkeit pflegebedürftiger Personen hat sowohl Auswirkungen auf die Autonomie des Patienten als auch auf das Berufsbild der Pflege.

Wie neuartig ist ihr Lösungsansatz?

Die Innovation ist die personalisierte Versorgung durch ein intuitives robotisches Assistenzsystem, das mit dem Nutzer körpernah interagieren und durch Assistenzfunktionen komplexe Tätigkeiten wie z. B. Trinkbecher zum Mund anreichen kann. Dabei lässt sich das ROBINA-System multimodal mit z. B. Augen-, Zunge-, und Muskelbewegung bedienen und trägt so zur Teilhabe für den Betroffenen ALS-Patienten bei. Der Fortschritt von Robotik und Telematik wird somit genutzt, um den Verlust motorischer Aktivitäten je nach Bedarfslage des Krankheitsverlaufs zu kompensieren.

Wann kommt Ihre Forschung in die Praxis?

Das Umgebungsfeld von ALS-Patienten ist stark eingeschränkt. Betroffene in der Intensiv- und Palliativversorgung sind in der Regel bettlägerig und können nur bedingt eigenständige körpernahe Handlungen durchführen. Bei der Prototypisierung des Demonstrators für den Einsatz in der Alltagspraxis muss dieses robotische System bzgl. Größe, Gewicht, Mobilität, und Handhabung in Richtung einer modularen und kompakten Bauweise auch für die Rollstuhlmontage weiterentwickelt werden.

Was wird in 20 Jahren sein?

Unsere Vision im Hinblick auf robotische Assistenzsysteme ist eine optimale Unterstützung für Menschen mit schweren körperlichen Einschränkungen und ihre Bezugspersonen im Alltag und in der Pflege – nutzungsorientiert, effektiv, adaptiv und individualisiert. In zwanzig Jahren sollten die Innovationen in der Intensiv- und Palliativpflege zu messbaren, evidenzbasierten Verbesserungen bei Überleben und Lebensqualität durch gesellschaftlich akzeptable und zertifizierte Medizinprodukte beitragen.

Weitere Informationen

Projektsteckbrief ROBINA